josef dabernig #

neu ist für die arbeit von josef dabernig, dass er sein werk in genau den dimensionen realisiert, die er in anderen werken paraphrasiert hat - es sind die dimensionen der architektur und der regel-anwendungen seiner in den kunstkontext transponierten trivialen mittel aus der baustoffindustrie.
neu ist, dass die künstlerische intervention am architektonischen tatort stattfindet, und zwar zeitgleich und nicht phasenverschoben. sie ist teil eines - wodurch immer motivierten - aufgeklärten und raffinierten bauauftrages, der architektonische konzeptionen kontrapunktisch infragestellt. der formale fremdkörper wird funktional synthetisiert und bedarf der vorgegebenen architektur als kontrastschirm.
sie stammt aus der periode der orientierungslosigkeit der österreichischen nachkriegsarchitektur: eine ohne erkennbare gestaltungsabsicht formierte kiste mit fensterlöchern und bauordnungskonformer dachlösung, errichtet unter den prämissen von kurzzeitökonomie und nahräumlicher politischer reibungslosigkeit.
der auftraggeber hat sich zum korrektiv dieser auffassung des bauens entschlossen: ein transparenter kubus aus metall und glas, von einem kompakten vertikalen schacht durchdrungen, schneidet als lift- und treppenturm in den ursprünglichen baukörper ein. er ignoriert bis auf die geschossniveaus seine vorgaben; doch selbst sie werden im glasmantel verunklärt, wenngleich sie die ansteigenden treppenebenen an der front formal aufnehmen. die höhenstaffelung, vorerst als klassisch funktionsfolgende formlösung vorgestellt, wird zum schein der harmonie noch um die kante geführt, um dann in eine verkehrung der vertikalstruktur umzuschlagen, die an der front noch den anstieg der geschosse nach aussen zu spiegeln schien. was dort auf den ersten blick als entsprechung einer retardierenden gestaltungsdoktrin anmutet, entpuppt sich als verhaltene subversion normativer ästhetik. indem josef dabernig das gliederungsprinzip präsentiert, stellt er es - gleichsam andockend - auf den kopf. es basiert auf einer einfachen reihe, die durch zwei unterschiedlich gefärbte glassorten und durch sprossenteilung markiert wird.

josef dabernigs mittel sind zurückhaltend. er verwendet, was am bau verwendung findet. kein material verrät kunst am bau. er greift in die struktur ein. nur geringfügig anmutende verschiebungen in der formalen gliederung irritieren, hinterlassen den eindruck der unsicherheit einer normabweichung. wenngleich der eingriff des künstlers auf der werkebene klar ist, verschwimmt er in der rezeption. dieser zuordnungskonflikt zwischen artifizieller und pragmatischer realisation ist teil des werkkonzeptes von josef dabernig.

grundsätzlich widerspricht die architektonische fixierung josef dabernigs prinzip der plastischen labilität, die sein bisheriges oeuvre bestimmte. wie vorläufig abgestellt, wie zur weiterverwendung vorgesehen, wirkten seine aus industriellen aluprofilsystemen montierten rasterplastiken. als zitat des zweckrationalen agierens in den kontext der ästhetik transferiert, stand das postulat ihrer nutzung im kontrast zum ausbleiben ihrer pragmatischen verwendung. der einsatz eines durch seinen alltagsgebrauch ikonografisch determinierten materials, wie der metallprofile im kunstkontext, bewirkt trotz aller sparsamkeit der ästhetischen zeichensetzung den eindruck der verschwendung.
josef dabernig wählt für seine plastiken materialien, die im normalfall technischen substrukturen dienen und dem blick durch oft vornehme verkleidungen entzogen werden: montagesysteme, aluprofile etc. mit ihrer hilfe setzt er einfache geometrische bildungsgesetze um. sie bleiben unverborgen.
in der vorliegenden architekturbezogenen arbeit stehen sie im funktionellen zusammenhang des baues. auf seine oberfläche projizieren sie das ästhetische schema der rasterung. bereits bei den alu-plastiken war es als mathematische reihe nicht sofort erkennbar; hier tangiert josef dabernig den horizont der indifferenz zwischen kunst- und alltagsform.
dabernigs strukturbildende elemente - die sprosse und die glasfläche - treten im bau in die gebrauchssphäre zurück. sie weist das charakteristikum der gebrauchsspuren auf, während sich die alu-rasterplastiken stets unbenutzt und rein als halbfertigprodukt präsentierten und ihren warencharakter nicht zu verbergen suchten. sie zeigten sich im zustand vor dem potentiellen infunktiontreten, das aber durch den wechsel in den kunstzusammenhang unmöglich wurde.

im film >gehfilmen 6< (1994) von thomas baumann, josef dabernig und martin kaltner bildet die architekturkulisse einer prager satellitenstadt den bewegungsraum für die gleichermassen bestimmt wie konzeptlos agierenden protagonisten. signifikanten der urbanen unwirtlichkeit und ihrer beklemmenden normalität sind die rasterbauweise und der bereits vor der fertigstellung eintretende verfall.
in der fassade von ledenitzen greift josef dabernig das rastermotiv auf und stört es durch scheinkontinuitäten und durch brüche. die intervention wird zur paraphrase der praxis.

Josef Dabernig - Zubau für Lift- und Treppenhaus, Beschäftigungswerkstätte der Lebenshilfe in A-9581 Ledenitzen. Projektdokumentation, 1995. Auszugsweise Wiedergabe in: Vor Ort, Kunst im Öffentlichen Raum Kärnten 1990-1997. Uli Sturm und Thomas Hoke (Hg.) für Amt der Kärntner Landesregierung, Ritter Verlag Klagenfurt 2000, S. 32-33

Arnulf Rohsmann
1995