Fitnessstudio, Gehirngymnastik und Auto-Sex

Körperertüchtigung als existenzielles Ballett: Josef Dabernigs gewitzter „Excursus on Fitness“.

Die Kurzfilme des Künstlers Josef Dabernig haben eine angenehm meditative und mysteriöse Stimmung. Erst allmählich erschließt sich die außergewöhnliche Sorgfalt ihrer Komposition, verborgen unter einem schmähstaden Sinn für Humor und einem beiläufigen Zug zum Rätselhaften. Es sind verblüffende Balanceakte, in denen sich das Physische und das Vergängliche verschränken. Auch das stumme, titelgebende Video im Zentrum von Dabernigs MAK-Installation Excursus on Fitness hat diese Qualität: Körperertüchtigung wird darin zu einem merkwürdigen existenziellen Ballett.

In einer Tanzhalle im dritten Bezirk werden diverse Übungen absolviert. In bewährter Manier greift Dabernig auf Freunde und Familie als Darsteller zurück, der Künstler selbst trainiert ebenfalls mit. Ein Zweiter, Otto Zitko, überwacht souverän die Betätigungen von seinem Computersitzplatz aus (auf dem Bildschirm hat er, wie sich zeigt, das Drehbuch zu Excursus on Fitness). Solche strukturellen Kunstgriffe, die ähnlichen Bewegungsmuster, das Arrangement der Figuren und das Wechselspiel von schön schäbiger Außen- und Innenarchitektur liefern vielfältige Spiegelbilder und einen Eindruck von Ordnung. Die gleichförmige, aber wortlose Tätigkeit verstärkt indes zusehends einen paradoxen Eindruck von Erstarrung: Ein Schwarz-Weiß-Tableau konditionierter Einsamkeit. Ein typisches Dabernig-Motiv.

Sport und (Meditations-)Musik

Die Werkstücke rundherum sind dagegen typisch für Dabernigs reduzierte Methodik und vielfältige ästhetische Ansätze: Der in Wien lebende Künstler, Jahrgang 1956, hat den schmalen Schlauch der MAK-Galerie in mehrere Räume abgeteilt. Das neue Video ist buchstäblich der Mittelpunkt, in benachbarten Compartements verlängern Matten, Bälle oder eine Hantel-Skulptur (ein Tribut des studierten Bildhauers Dabernig an seinen Akademie-Lehrer Joannis Avramidis) das Fitnesscenter-Ambiente in den Ausstellungsraum. An den Wänden Dabernig-Fotos, die auf Sport und frühere Werke verweisen: ein Fußballstadion in faschistischer Bauweise, Impressionen am Rande eines Radrennens oder Panoramafotoreihen.

Die privaten Bezüge von Dabernigs Kunst erschließen sich nicht immer, aber das passt zu seinen Erzählungen, die sich nie ganz offenbaren. Der Exkursus, die Abschweifung, ist da ideale Dabernig-Form, das Fitnesscenter idealer und zeitgemäßer Schauplatz: (Gehirn-)Gymnastik oder Leerlauf? Schwer zu sagen bleibt, ob Dabernig ein Schalk oder ein Melancholiker der Moderne ist. Angemessen zwiespältig die Beschallung von den äußersten Rändern der Ausstellung: Von hinten Motorendröhnen, da läuft– mehr Körperdisziplinierung – Dabernigs unterschätzter Auto-Sex-Film Parking von 2003. Vorne säuselt Meditationsmusik von Gandalf. Seelische Fitness ist anzuraten.
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Die Presse, 10.4.2010

Christoph Huber
2010