fahren, stehen, fahren - »automatic«, »Parking«, »Rosa coeli« – drei neue Filme von Josef Dabernig
Vielgestaltig sind die Rückkoppelungen, die zwischen den Medien Film und bildende Kunst im gegenwärtigen Ausstellungswesen Form finden. Ihre Projektionen und Projekte sind mitunter voll von produktiven Missverständnissen – etwa in Bezug auf den Status des Dokumentarischen oder wenn es darum geht, sich Methoden, Motive und Fiktionalisierungsstrategien des großen Erzählkinos in das Kurzformat der Videoinstallation umzukopieren. Mit dem Erfolg, den seine Filmtraktate über Abwesenheit und Präsenz »Wisla«und »Wars« im internationalen Kunstbetrieb hatten, skizzierte Josef Dabernig, der parallel als Filmautor und bildender Künstler arbeitet, in den letzten Jahren einen Weg zwischen den Genres, der deren jeweilige Eigenlogik gegeneinander zu balancieren versteht. Dabernigs Arbeiten sind gleichsam unter der strengen Aufsicht des Experimentalfilms und seiner Formetüden geschnitten, spielen aber auch mit den Gesten, Stimmungen und Valeurs des AutorInnenkinos der 60er und 70er Jahre, und zwar mit einer Lust an Narrationsverschiebungen, wie man sie aus den Lektüren der psychoanalytischen Filmtheorie kennt. In seinen drei jüngsten Filmarbeiten »automatic«, »Parking« und »Rosa coeli« erweitert Dabernig diesen Weg und schiebt der Verortung seiner Arbeit im Rollenfach des melancholisch-skurrilen Transformationsanalytikers einen Riegel vor.
»automatic«, eine Gemeinschaftsarbeit mit der Grazer Gruppe G.R.A.M., ist eine Etüde über Warenfetischismus, Technostalgie, Männer-Automatenbeziehungen und die Produktion und Rezeption von Kunst. Drei Autos, wie sie durch das italienische Kino des Neorealismus oder durch die fröhlich-zynischen Modernismus-Assemblagen der Nouvelle Vague hätten fahren können, Wunschmaschinen des postfaschistischen Wirtschaftswunders, sind es, deren Chrom- und Glanzlackfunkeln die Kamera abtastet. Um dann, in einer die Volumina der Schnittfolgen genau ausbalancierenden, fast formelhaft kadrierten Bildfolge drei Männer zu portraitieren, die in diesen Autos sitzen und dort zeichnen, am Objektiv einer Fotokamera hantieren, in sich versunken Musik hören, sich dabei jedoch – mit nicht uneindeutigen Gesten – auch anderen selbstverliebten kontemplativen Tätigkeiten hingeben. Erst das Schlussbild versetzt den schummrigen Raum, in welchem sich dieser Film entwickelt – ein Film, den man der Tonspur von Binder & Krieglstein wegen, die es weit und lange nach oben in die Electronica-Charts brachte, auch als Musikclip verstehen kann. Das Schlussbild transferiert den Handlungsort in die Gegenwart einer ausgedingten Autowerkstatt am Land, vielleicht in der Nähe einer Mittelstadt. In die postfordistische Ausweglosigkeit.
Um »Auto-Erotik«, den Innenraum eines PKW, passagere Orte und Fetischisierungen geht es auch in »Parking«. Ein Stück Straße vor einem Wäldchen am Rand einer Autobahn – den Hintergrund des Bildes belichtet unter anderem die rasant-gegenläufige Bewegungsspur von vorbeifahrenden Autos – wird zum Schauplatz einer kurzen, von der Kamera lapidar beobachteten Szene, die Dabernig so beschreibt: »Ein PKW stoppt am Straßenrand. Noch im Auto sitzend entledigen sich Fahrer und Beifahrer zielstrebig ihrer Kleidung. Dann fesselt der eine mit seinem Gürtel die Hände des anderen und zerrt ihn unsanft aus dem Fahrzeug. Es folgt eine eher seltsame Diskussion der Herren in Unterwäsche. Die Vorbeifahrenden ignorieren das Geschehen und bald scheinen die Hormonspiegel der beiden wieder im Gleichgewicht; die Herren sitzen erneut im Auto und kleiden sich in Ruhe an.« Die Gitterstruktur der Bodengummimatte des Autos hat ihr Negativ, den minimalistischen Grid, als Hinweis und Spur auf dem Rücken eines der Männer hinterlassen.
»Rosa coeli«, Dabernigs jüngster Film, liegt erst in einer Rohschnittfassung vor. Struktural ist er ebenso streng komponiert wie seine Vorgänger. Erstmals jedoch verwendet Dabernig hier gesprochenen Text. In »Rosa coeli« verschränken sich unterschiedliche Bewegungsmotive zu Handlungskonglomeraten. Ein Strang zeigt Szenen der Bahnreise eines der Protagonisten zu einem Hotel in einem Industriedorf in den Bergen. Der Ort ist unschwer als einer mit realsozialistischer Vergangenheit zu lokalisieren. Die bizarr publikums- und medienleere Kulisse eines etwas heruntergekommenen, ost-modernistischen Hotels, in dem der Protagonist sich mit zwei anderen – wie er körperbehinderten – Männern trifft, um an einem für die Zeremonie dekorierten Tisch ein Papier zu unterzeichnen, ist der zweite Hauptdarsteller in »Rosa coeli«.
In einer rhythmisch figurierten Szenenfolge entwickeln sich alternierend der kontextlos aufgeführte Akt der Unterzeichnung – in Fragmenten von stereotypen Bewegungsmustern, wie Begrüßungen, das Umblättern des Papiers beim Unterzeichnen, der Handschlag bis hin zur Abreise des Hauptdarstellers auf einem menschenleeren Perron – und die Designgeschichte des Hotels in Stillleben, unbewegten Veduten, Blicken auf Details wie Spielautomaten, traurige Zimmerpflanzen vor dem Chrom-Glas-Kunststeindesign in der Hotelhalle oder hybrid-poppige Beleuchtungskörper aus jener Ära, als das Haus vermutlich als Politbüro- und Arbeiterstaatsfunktionärsherberge diente. Parallel zu den Schnitten zwischen diesen zwei Geschichten von Formen, ihrer sentimentalen Verwendung und Wiederaufführung, zwischen bewegten Einstellungen und Stilleben, wechselt auch der Soundraum. Bruno Pellandinis stilisierender Hochliteraturtext von der Rückkunft an einen – merkwürdig zeitverlassenen – osteuropäischen Ort der Kindheit, ein Text dessen Manieriertheit durch den Erzähler (Branko Samarovski) noch unterstrichen wird, verschiebt die Aufmerksamkeit von der visuellen Bewegtheit der Spiel-Handlung weg auf die Stillleben. Die wie aus der Tiefe der Zeit fallenden, fast unbewegten Stills, mit denen Christian Giessers Kamera den Schauplatz der mehrfach behinderten Konferenz dokumentiert, und die Strenge der Schnittfolgen sprengen den narrativen Rahmen des Textes. Eine derart entschlossene Gelassenheit, eine so unirritierbare mechanische Routine wie jene, mit der Dabernigs Laiendarsteller diesen doppelten Plot spielen, der auf Nichts hinausläuft als auf ihre nahezu unheimliche Präsenz, sind im Kunstkino und in der Kinokunst heute kaum anderswo zu finden als in den Filmen Josef Dabernigs.
springerin 2/03, Time for Action. springerin – Hefte für Gegenwartskunst, Wien. S. 60-61