Die Zwei von der leeren Bank

Das Stadion ist leer, die hörbare Geräuschkulisse jedoch verheißt den Verlauf eines großen Spieles. Nur auf der Trainerbank sitzen einsam zwei Menschen in schlecht passenden Anzügen. Sie verfolgen angespannt das nicht stattfindende Spiel und sie leiden unter ihrer Mannschaft. Der Jubel der nicht anwesenden Zuschauer gilt ganz offensichtlich dem gegnerischen Team. Die beiden wechseln kaum ein Wort miteinander, sie kämpfen zwar für die selbe Sache, aber wohl mit unterschiedlichen Meinungen. Irgendwann hält es den einen nicht mehr auf der Bank, er geht zum Spielfeldrand, gibt in Richtung auf den leeren Rasen schiebende Handzeichen, es soll endlich mehr Druck gemacht werden. Das Spiel endet, die beiden verschwinden im Inneren des Stadions, um bald darauf wieder zu erscheinen und einigen Offiziellen auf der Tribüne pflichtgemäß die Hand zu schütteln. Ein erfolgreiches Spiel kann es nicht gewesen sein.
Das Geschehen ist komprimiert auf acht Minuten Länge und damit genau auf die richtige Dauer. Jede Minute mehr hätte dem Reiz diese Filmes, dessen Kulisse das Wisla-Stadion in Krakau ist, geschadet. Denn es passiert kaum etwas und es hätte auch nicht mehr viel passieren können. Die beiden können nichts ausrichten, ihr Job war vorher zu erledigen, das Spiel entwickelt sich gnadenlos ohne sie. Eigentlich ist es sogar noch viel schlimmer: das Spiel findet ja gar nicht statt, es sind auch keine Zuschauer gekommen, und trotzdem tragen die beiden für den Spielverlauf die Verantwortung und alle Kameras sind auf sie gerichtet.
Der Film springt zwischen zwei gegensätzlichen Interpretationen hin und her. Einmal hat man das Gefühl, dass Entwicklungen in der Gesellschaft einfach ihren Lauf nehmen, auch wenn sie offiziell gar nicht vorhanden sind. Wenn das Spiel abgesagt wird, heißt das noch lange nicht, dass das Volk keine Meinung dazu hat. Andererseits läßt sich aber auch vermuten, dass gewisse Dinge mit großem Gehabe inszeniert werden, dann jedoch außer der offiziellen Hülle nichts davon übrig bleibt. Das Spiel wird groß übertragen, aber keiner spielt wirklich mit. In der ersten Version wirken die beiden Trainer wie Politiker, denen die Macht aus den Händen gleitet, in der zweiten wie solche, die ihrem Volk etwas vormachen. Die beiden haben Interessen, wahrscheinlich sogar gegensätzliche, doch es läuft nicht in ihrem Sinne und es fällt ihnen schwer, ihren Unmut zu beherrschen. Fast könnte man annehmen, sie seien Kuratoren, die nicht bemerkt haben, dass die Ausstellung irgendwie ausgefallen ist.

blitzreview.de/b-609.html

Christoph Blase
2000