Dekonstruktive Abstraktionsfrage nach unserer Simulationskultur (Dabernig, Köb, Trattner in Rom)

... Dabernig geht es um die technoide Bilderwelt, deren Grundstruktur der Raster geworden ist. Alle scheinbar vollen Bilder bauen sich oder spielen sich aus dem Ineinander von Rasterungen auf und lassen sich darauf reduzieren. Löst man die Raster ab voneinander, stößt man immer wieder nur auf Rasterungen oder schließlich auf das Totum der Rasterung, das bloße bildbereite Geflimmer unserer Bildschirme bei angenommenem Verlust der Kastenfassung. Leinwand als Bildgrund hat das zwar vorweggenommen, aber es zog sich für die Visualität zurück auf ein verschwindendes Mittel der Bildproduktion. Heute in der Technoidität wird Rasterung zum Bildthema schlechthin zusammen mit dem Ineinanderlagern und dann Gegeneinanderverschieben der Rasterungen. Man denke an Glasers Film "Running Man", wo das Rasterthema seine rahmende Entrahmung der Rahmen bei ständiger Zitation von Rahmungen und Zonen der Ereignisse für immer dieselben Ereignisse gewinnt.

Dabernig hat solche Effekte durch das minimalisierte Stören der Rasterproportionen erwirkt, ständig flimmern an und in den Einschnitträndern seiner Rasterskulpturen und deren Lagerung auf den leeren Feldern Bilder auf, verschieben sich über die Rasterleisten hinweg und entflimmern. Das macht den ästhetischen Reiz eines Abwesenden in einem Anwesen, das offensichtlich mit dem Abwesenden nichts zu tun hat und es doch hervorruft. Man erfasst und ersieht die Bezugslosigkeit der Simulationen zu Wirklichkeit in der total verallgemeinerten Simulation selber und man schaut diese Bezugslosigkeit als eine Wirklichkeit an, die einen im selben Moment so verläßt wie wiederkehrt, indem sie eintritt. Durchschauen dessen, was in der wirklich entwirklichenden Simulation geschieht, bedeutet einmal das Durchschauen unserer Wirklichkeit "am eigenen Leib" (Rudolf zur Lippe) und wäre zum anderen conditio sine qua non für einen Ausgang aus unserer selbst verschuldeten Simulativität, sofern diese die Totale durchzieht ohne Ausgang. Alle theoretischen Diskurse können solches nicht leisten, weil ihnen der eigene Leib des Erfahrens zwar bezeichenbar und doch erlebend unerreichbar bleibt.

Die notierte Simulationsebene samt ihrer Brechung bei Dabernig mittels der Minimalstörung wird ohnehin per Mehrfachcodierung ins Symbolisieren übersetzt und das gerade durch die Wahl der Materialien: Die Halterungsleisten von Montage-Fassaden, die in der Skulptur selber, meistens, allerdings hier in Rom ein wenig abweichend und unaufgesetzt an der Wand lehnend, so montiert sind wie in der bautechnischen Funktion, wenn auch nach anderen Modulen. Solches Einsetzen einer Variation aufs Objet-trouve-Verfahren läßt nahezu symbolisiert einen konstruktivistischen Realismus auftauchen, der auf die exakte Berechnung des entwirklichenden Scheins in seiner technoid hoch realen Organisation hinweist, Baruch de Spinoza sprach schon im Auftakt zur neuen Neuzeit von einer Mathematik der Affekte. In solcher Perspektive geht Dabernig mit Störung der Simulativität durch Minimalität nicht nur in ihre internen Störbarkeiten, sondern über sie hinaus. ... (Textauszug)

„Drei“ scultori viennesi. Sala 1, Rom, 1992

Burghart Schmidt
1992